MP240026 Laufbandanalyse 22

So bewegen sich Hunde

Es ist ein sonniger Morgen und du gehst mit deinem Vierbeiner eine schöne Runde im Park spazieren. Freudig schnüffelt er hier und da, trabt umher und scheint voller Energie. Aber was steckt eigentlich hinter diesen Bewegungen und wo kommt die ganze Ausdauer her? In diesem Beitrag erklärt dir unsere Tierärztin Dr. Julia Vietmeier, wie die Fortbewegung unserer Fellnasen funktioniert und gibt dir einen Einblick in die Biomechanik.

Welche Gangarten gibt es beim Hund?

Jeder Hund kann sich in verschiedenen Gangarten fortbewegen. In den einzelnen Gangarten kann der Hund langsamer oder schneller laufen, aber der Rhythmus des Pfotenaufsetzens bleibt gleich. Ändert der Hund die Gangart, ändert sich auch das Fußfallmuster.

Forschende unterscheiden zwei Arten an Bewegungsabläufen beim Hund:

  • Symmetrische Gangarten beim Hund:
    Schritt, Trab und Pass sind symmetrische Gangarten, bei denen die Beine der einen Körperseite, zeitlich versetzt, dasselbe tun, wie die Beine auf der anderen Seite.
  • Asymmetrische Gangarten beim Hund:
    Galopp zählt zu den asymmetrischen Gangarten: Hier fußen nicht die Beine einer Körperhälfte hintereinander auf, sondern beide Vorderfüße und beide Hinterfüße als Paar. Durch diese Art des Auffußens kann der Rücken in die Bewegung mit einbezogen werden, umso mehr Geschwindigkeit zu erreichen.

Die Gangarten bei Hunden in der Übersicht

Schritt beim Hund:

Der Schritt ist ein Viertakt ohne Flugphase (d. h. alle vier Pfoten verlassen den Boden) – ideal zum gemütlichen Spazierengehen und Schnüffeln. Die Beine bleiben in dieser Gangart eher steif.

Trab beim Hund:

Im Gegensatz zum Schritt fußen die Beine beim Trab um die Hälfte des Schrittzyklus zeitlich versetzt auf (im Schritt um ein Viertel) und es gibt eine Flugphase. Der Körperschwerpunkt des Hundes bleibt relativ stabil, das Tempo ist höher und der Hundekörper wird nur durch die diagonalen Beinpaare gestützt. Es ist also ein Zweitakt. Ab dem Trab werden die Gliedmaßen immer nachgiebiger, sie werden elastischer und der Hund staucht mehr ein.

Pass beim Hund:

In dieser Gangart bewegen sich die Gliedmaßen einer Körperseite gleichzeitig. Es sieht leicht schwankend aus, da sich der Köperschwerpunkt des Hundes von einer Seite zur anderen bewegt. Manche Hunde bewegen sich, körperbaubedingt, häufig im Pass. Doch sollte der Hund seinen üblichen Trab zu Pass verlagern, kann dies auf Ermüdung oder ein gesundheitliches Problem hinweisen.

Galopp beim Hund:

Der Galopp ist eigentlich nur ein Überbegriff für verschiedene Galopparten. Hier fußen die Hinterfüße und die Vorderfüße zeitversetzt als Paar auf. Es ist ein Dreitakt; unterschieden wird zwischen zyklischem Galopp, Kanter und Renngalopp. Sie unterscheiden sich im Tempo und in der Anzahl der Flugphasen.

Wie bewegen sich Hunde?

Da sich die Vorfahren unserer Gefährten, die Wölfe, auf ausdauernde Hetzjagden spezialisiert haben, ist es nicht verwunderlich, dass sich auch unsere Hunde auf langen Spaziergängen in der Regel sehr unternehmungslustig und ausdauernd zeigen. Die Gründe hierfür liegen zum einen in besonderen Muskelfasern, die weniger schnell ermüden und zum anderen in einem ausgefeilten Bewegungsmuster, das darauf ausgelegt ist, Energie einzusparen. 

Schon gewusst? In der Regel verbrauchen Hunde nur ca. 10 % ihres täglichen Energiebedarfs zur Fortbewegung, selten auch bis zu 20 % (Quelle: D. Koch, M. Fischer, Lahmheitsuntersuchung beim Hund).

Im Stand verteilt der Hund sein Körpergewicht ungleichmäßig:

  • Etwa 60 % des Gewichts liegt auf den Vorderbeinen und
  • nur 40 % auf den Hinterbeinen.

Daher sind die Vorderpfoten meist größer als die Hinterpfoten. In den einzelnen Gangarten ändert sich diese Gewichtsverteilung immer wieder. Der Körperschwerpunkt des Hundes liegt etwa auf Höhe der neunten Rippe.

Je schneller unsere Vierbeiner unterwegs sind, umso deutlicher ist das Einstauchen der Beine (durch mehr Elastizität). Dies führt dazu, dass der Hund bei jedem Schritt potenzielle Energie speichert und sich so ohne großen Kraftaufwand federnd fortbewegen kann.

Auf diese Weise sind Wölfe in der Lage, eine sehr lange Strecke im Monat zurückzulegen, wenn sie ihr Revier kontrollieren und Nahrung beschaffen. Daher sind auch unsere Vierbeiner in der Regel nach einem langen Spaziergang nicht besonders erschöpft und haben noch ausreichend Energie übrig.

Tierärztin Dr. Julia Vietmeier: 
“Umso wichtiger ist es, dem Hund entsprechende Ruhephasen zu geben, da zu viel Bewegung und Eindrücke am Tag zu einer Ausschüttung von Stresshormonen führen und somit über längere Zeit gesundheitsgefährdend sein können.”

Die Jenaer Studie zur Fortbewegung von Hunden

Die bislang ausführlichste Untersuchung zur Hundebewegung wurde im Jahr 2011 unter der Leitung des Forschers, Zoologen und Evolutionsbiologen Prof. Dr. Dr. h. c. Martin S. Fischer mit seinem Team an Wissenschaftlern an der Universität in Jena durchgeführt. Die Studie dauerte vier Jahre und es nahmen insgesamt 327 Hunde aus 32 verschiedenen Hunderassen teil. Sie führte zu spektakulären, neuen Betrachtungsweisen in der Biomechanik von Hunden und brachte zahlreiche neue Erkenntnisse, die den Blick auf die Bewegung von Hunden revolutioniert haben.

Jenaer Studie: Untersuchung der Bewegungsabläufe

Die Wissenschaftler nutzen hierzu drei verschiedene Messsysteme: ein Infrarotbewegungsmesssystem, zwei Hochgeschwindigkeitsvideokameras und eine Hochgeschwindigkeitsröntgenkamera (500 Röntgenbilder pro Sekunde, dank neuester Technik aber mit viel weniger Strahlenbelastung).

Diese Kombination an Messsystemen ermöglichte eine bisher nie dagewesene, umfassende Darstellung des Bewegungsapparates von Hunden und ein dreidimensionales Koordinatensystem des Hundekörpers in Bewegung. Details in der Anatomie von Hunden wie die Winkel der Gelenke oder anatomische Strukturen wie das Schulterblatt konnten so sichtbar gemacht werden.

Durch diese neue Herangehensweise konnte bewiesen werden, dass einige Darstellungen zum Hundeskelett und der Hundebewegung veraltet sind und nicht den Tatsachen entsprechen.

Erkenntnisse der Jenaer Studie

Was bedeuten diese überraschenden Erkenntnisse aus der Studie genau? Welchen Einfluss nehmen sie auf den Alltag mit unseren Tieren (z. B. hinsichtlich verschiedener Hundegeschirrtypen)?

Hier die spannendsten Ergebnisse:

  • Der Drehpunkt der Vordergliedmaße liegt im oberen Bereich des Schulterblattes und nicht im Schultergelenk! Das Schulterblatt dreht sich um etwa 35 Grad, während sich das Schultergelenk kaum bewegt.
  • Das Hüftgelenk und der obere Rand des Schulterblattes (jeweils die Drehmomente der beiden Beine) liegen im Stand und beim Laufen auf einer Höhe (doch fast alle anatomischen Modelle vom Skelett des Hundes stellen dies anders da).
  • Das Schulterblatt und der Unterarm des Hundes verhalten sich in Bewegung gleichgeschaltet. Dasselbe gilt für den Oberschenkel und den Mittelfuß an der Hintergliedmaße.
  • Die Fortbewegung des Hundes hängt maßgeblich von den Proportionen des Oberarmes ab. Die Studie fand heraus, dass er bei allen Hunden genau 27 % der Gesamtlänge des Vorderbeines ausmacht. Somit liegt die Schlussfolgerung nahe, dass sich alle Hunde, unabhängig von Gewicht und Größe, ungefähr gleich bewegen.

Tierärztin Dr. Julia Vietmeier :

“Auch wir Tierärzte können aus dieser Studie viel für den Alltag mit unseren Vierbeinern ableiten. Zum Beispiel die Fragen: Wie darf ein Geschirr sitzen und wo würde es den Hund in der Bewegung einschränken? Auch Tierärzte können anhand der neuen Betrachtungsweise der Biomechanik viel für ihre Praxis und den Umgang mit Lahmheiten lernen.”

Hundegeschirre wissenschaftlich betrachtet

Wir haben diese Ergebnisse zum Anlass genommen, um unsere Geschirre einmal mit wissenschaftlichem Blick unter die Lupe zu nehmen. Denn häufig werden die Diskussionen um Halsband, Geschirr und verschiedene Geschirrtypen sehr emotional geführt und es kursieren viele Meinungen darüber.

Wissenschaftliche Betrachtungsweisen und Studien gibt es hierzu aber verhältnismäßig wenige; die meisten Diskussionen basieren auf subjektiven Betrachtungen und Erfahrungen.

Hier einige Beispiele zu wissenschaftlichen Studien:

  • Effect of harness design on the biomechanics of domestic dogs (Canis lupus familiaris)
  • Ellen Williams, Violet Hunton, Jacqueline Boyd & Anne Carter (Journal of applied animal welfare science, 2023)
  • A Systematic Review of the Biomechanical Effects of Harness and Head-Collar use in Dogs, Scott Blake, Rhian Williams, Roberta Blake, 2019
  • Effects of restrictive and non-restrictive harnesses on shoulder extension in dogs at walk and trot, Lafuente et al., Vet Record 2019

Schränken Hundegeschirre die Bewegung von Hunden ein?

Alle bisher gelaufenen Studien (s. o.) sind sich einig, dass es immer eine gewisse Einschränkung in der Bewegung der Hunde durch ein Geschirr geben wird. Auch wir haben mithilfe eines Laufbandes (GanidGait® der Firma Zebris) die verschiedenen Geschirre an unterschiedlichen Hunden und Rassen getestet, um herauszufinden, ob und wie sie die Hunde einschränken.

Anhand der wissenschaftlichen Daten (wie Schrittlänge, Winkel der Gelenke, Verschiebung des Schwerpunktes und mehr), die durch die Messsysteme des Laufbandes generiert werden, stellen wir bei HUNTER sicher, dass unsere Hundegeschirre dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechen und somit für deinen Hund so komfortabel wie möglich sind.

Tipp: In unserem Beitrag "Wissenschaftliche Betrachtung von Hundegeschirren" erfährst du mehr.

Fazit: Die Biomechanik unserer Hunde ist ein faszinierendes Thema! Denn indem wir die Bewegungen unserer Vierbeiner besser verstehen, können wir ihr Wohlbefinden gezielt fördern und die gemeinsamen Abenteuer noch mehr genießen. Hast du die Bewegungen deiner Fellnase schon einmal genauer beobachtet?

Dr. Julia Vietmeier

Tierärztin Dr. Julia Vietmeier

ist promovierte Fachtierärztin und setzt in ihrer Praxis auf Chiropraktik und Akupunktur.
Sie legt großen Wert auf die ganzheitliche Behandlung ihrer vierbeinigen Patienten.

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